Freihandelsabkommen TTIP und CETA stoppen - Kommunale Daseinsvorsorge schützen

Frank Theile, Dennis Jannack

Antrag zur Stadtratsberatung am 4. September 2014

Der Stadtrat möge beschließen:

1. Der Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg lehnt eine weitere Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, wie sie in der derzeit zwischen den USA und der EU verhandelten „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) und dem zwischen der EU und Kanada verhandelte Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) vorgesehen ist, ab.

2. Der Stadtrat fordert den Oberbürgermeister auf, sich im Deutschen Städtetag und anderen kommunalen Spitzengremien gegen die geplanten Abkommen zu positionieren und entsprechend, sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der EU-Kommission zu intervenieren.

3. Darüber hinaus ist der Oberbürgermeister aufgefordert, sich in allen ihm zur Verfügung stehenden Gremien für einen wirksamen Schutz und eine Förderung der Bereiche der Daseinsvorsorge im Sinne der Erhaltung einer umfassenden kommunalen Selbstverwaltung sowie gültiger sozialer und ökologischer Standards einzusetzen. Das schließt beispielsweise die Stärkung der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen ein, die durch das geplante Freihandelsabkommen droht, unterlaufen zu werden.

4. Der Oberbürgermeister ist beauftragt, über mögliche Folgen der geplanten Freihandelsabkommen hinsichtlich der betroffenen kommunalen Bereiche, insbesondere der öffentliche Auftragsvergabe, Bildung, Kulturförderung, Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung,  Wasserversorgung, Energiepolitik, dem öffentlichem Nahverkehr und Umweltschutz, in den zuständigen Ausschüssen und im Stadtrat zu informieren. Wenn nötig, sind dazu geeignete Partner einzuladen.

Begründung:
Derzeit wird hinter verschlossenen Türen und völlig intransparent von der EU-Kommission eine „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) zwischen den USA und der EU sowie ein Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Kanada und der EU verhandelt. Ziel der Abkommen ist die weitere umfassende Deregulierung und Liberalisierung von Handelsbeziehungen und Dienstleistungen.
Die Unterzeichnung dieser Abkommen wird erhebliche Konsequenzen auch für die Kommunen und ihre Aktivitäten im Rahmen der Daseinsvorsorge beinhalten. Die geplante Liberalisierung betrifft Dienstleistungen der Daseinsvorsorge z. B. im Bereich der Bildung, der Kulturförderung, der Gesundheit, sozialen Dienstleistungen, der Abwasser- und Müllentsorgung, dem öffentlichem Nahverkehr oder der Wasserversorgung. Die bisher noch festgeschriebenen Ausnahmeregelungen hinsichtlich des öffentlichen Versorgungsbereiches und der Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, Verkehr oder Leiharbeit sollen offenbar aufgehoben werden.
Innerhalb der von den Handelsabkommen betroffenen Zone sollen die Regelungen von ausländischen Investoren aus ihrem eigenen Heimatland im Partnerland gelten. Fallen die Standards im Heimatland niedriger aus, dann müssen diese im Partnerland anerkannt werden. Als Handelsbarrieren angesehene Produkt- und Qualitätsstandards sollen abgebaut werden.
Das Verhandlungsmandat scheint, wie u. a. der bayrische Städtetag betont, auch kommunalrelevante Handlungsbereiche, etwa das öffentliche Auftragswesen, Energiepolitik und Umweltschutz, und sogar die Trinkwasserversorgung zu umfassen. Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, führt in einer Pressemitteilung zu TTIP aus: „Vorübergehend haben marktliberale Kräfte in der EU-Kommission der kommunalen Daseinsvorsorge Terrain überlassen, um die Bürgerschaft in Ruhe zu wiegen. Aber wir konnten uns nur kurz über einen vermeintlichen Etappensieg freuen. Am Horizont steht schon die neue Liberalisierungsfront bereit: Die EU verhandelt im großen Stil mit den USA auch über die Liberalisierung der Daseinsvorsorge. Im Juli stieg die EU in dem Moment, als für die Wasserversorgung Entwarnung gegeben hat, gleichzeitig in Verhandlungen ein, in denen es nicht zuletzt um eine Liberalisierung der Wasserversorgung geht. Die neue Liberalisierungswelle ist umso gefährlicher, weil sie mit transatlantischer Wucht kommt. Die EU-Kommission könnte in Zukunft mit Hinweis auf internationale Abkommen eine Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen in Europa durchsetzen. Die neue Bundesregierung und die neue Staatsregierung müssen wachsam bleiben, um eine Bedrohung der kommunalen Daseinsvorsorge gar nicht erst möglich werden zu lassen.“
(http://www.bay-staedtetag.de/index.php?id=9511,133)
Ein weiterer Kritikpunkt ist der sogenannte Investorenschutz, ein Sonderklagerecht für Unternehmen. Dieses soll erweitert werden, und für öffentliche Ausschreibungen soll das Prinzip der Inländerbehandlung festgeschrieben werden. Damit steht zu erwarten, dass sog. nichttarifäre Handelshemmnisse und Regulierungen massiv reduziert werden. Teil beider Abkommen soll ein spezielles Investorenklagerecht gegen Staaten sein, um ggf. Schadenersatz durchsetzen zu können. Klagegründe sind dabei nicht mehr nur Wettbewerbsbeschränkungen oder Enteignungen, sondern entgangene Gewinne aufgrund von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien.
Die Klagen von ausländischen Konzernen wegen entgangener Gewinnerwartungen aufgrund von inländischen Hemmnissen werden vor Schiedsgerichten verhandelt, die nicht öffentlich tagen, deren Urteile völkerrechtlich verbindlich sind und gegen die es keine Revisions- bzw. Berufungsmöglichkeiten mehr gibt.

Frank Theile               
Fraktionsvorsitzender          

Dennis Jannack 
Stadtrat

A0140/14 Freihandelsabkommen TTIP und CETA stoppen - Kommunale Daseinsvorsorge schützen
I0198/14 Information
-> dieser Antrag wurde geändert beschlossen