8€ pro Quadratmeter Miete verfehlt die Lebensrealität der Menschen und ist Sinnbild sozialer Ausgrenzung!

René Hempel
MagdeburgStadtratsfraktion

Reaktion auf die Aussagen von Peter Lackner (Wobau) & Thomas Fischbeck (MWG) in der Volksstimme vom 28.10.2021: „Wobau und MWG verteidigen weiteren Wohnungsabriss

Dass wir als LINKE uns für die Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraums stark machen, ist nicht neu. Dass beide Geschäftsführer jedoch 8€/qm als bezahlbar für „jeden Geldbeutel“ bezeichnen und diese Summe dem unteren Preissegment zuordnen, verfehlt die Lebensrealität vieler Magdeburgerinnen und Magdeburger und macht sprachlos.

Da gemäß der Unterkunftsrichtlinie der Landeshauptstadt Magdeburg für Menschen mit niedrigem Einkommen jedoch eine maximale Höhe von 6,60€/qm vorsieht, bedeutet das de facto das Scheitern der eigenen formulierten Ansprüche, sowie eine soziale Ausgrenzung und Verdrängung der Menschen aus ihren teils langjährigen Lebensumfeldern.

Wenn gerade einmal 218 Wohnungen (Peter Lackner, Juli 2021) dem sozialen Wohnungsbau zugeordnet werden könnten und der Rest der Bewohnenden den Kostenerhöhungen schonungslos ausgesetzt sei, muss die Frage erlaubt sein, wer sich Wohnen in Zukunft überhaupt leisten kann? Dies stellt momentan gerade für Studierende oder Rentnerinnen und Rentner die traurige Realität dar. Renten und Einkommen steigen nicht so stark wie die Mieten in unserer Stadt. Mit dem Ersetzen günstigen Wohnraums durch Prestige-Immobilien wie am Prämostratenserberg und in Nord von den Wohnungsbauunternehmen wird dieser Prozess (Gentrifizierung) beschleunigt.

Fakt ist, dass gerade bei der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft & Genossenschaften, die unsere wichtigsten Partner für Stadtentwicklung und Wohnen sind, ein besonderes Interesse an einem sozialverträglichen Wohnungsmarkt bestehen muss. Dahingehend fordere ich inständig ein Umdenken und Korrigieren des sozial hoch gefährlichen Kurses, der hier eingeschlagen wurde! Abriss ist nämlich keine Lösung für die bestehenden Probleme.

 

Das ausführliche Statement:

Mit großem Erstaunen habe ich das gemeinsame Statement von Peter Lackner und Thomas Fischbeck zur Kenntnis genommen und bin von deren Erklärungsversuchen, Sichtweisen und Wahrnehmungen stark irritiert. Dass Unternehmen Geschäftsinteressen haben, ist nachvollziehbar. Dass wir Linke uns besonders für Geringverdienende stark machen, ist nichts Neues. Wir wollen eine lebenswerte Stadt für alle schaffen und sichern. Daher haben wir auch einen besonders sensiblen Blick für Entwicklungen, die diesen Anspruch aushöhlen. Die Mietpreisentwicklungen in Magdeburg betrachten wir daher mit großer Sorge. Viele Mieter:innen der Wobau bekommen gerade Briefe, in denen ihnen extreme Erhöhungen ihrer Wohnkosten mitgeteilt werden. In Buckau erhöhen Investoren Mieten schlagartig um 20%. Was braucht es noch für Signale, um diese Entwicklung zu erkennen?

Wenn aber Peter Lackner als Geschäftsführer unseres kommunalen Wohnungsbauunternehmens der Überzeugung ist, dass das „untere Preissegment“ von 8€/ qm2 (kalt) der neu geschaffenen Wohnungen für „jeden Geldbeutel“ bezahlbar sein soll, dann irrt er gewaltig. 8€ sind nicht einmal im Ansatz das untere Preissegment und sollten es auch nicht werden.

Die Unterkunftsrichtlinie der Landeshauptstadt Magdeburg sieht für Menschen mit niedrigen Einkommen aber nur eine Maximalmiete von 6,60€\qm vor. Das bedeutet, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Menschen in Magdeburg in seinen angepriesenen Wohnungen im „unteren Preissegment“ nicht wohnen dürfen. Offenbar wird nicht bedacht, dass es Menschen mit geringem Einkommen gibt - diese Menschen sind in den neuen Wohnquartieren offenbar nicht gewollt. Damit ist der eigene Anspruch der beiden Geschäftsführer der größten Wohnungsbauunternehmen unserer Stadt schon im Ansatz gescheitert. Dass es sich zunehmend Renter:innen, Studierende und Menschen mit geringeren Einkommen nicht mehr leisten können, in bestimmten Bereichen unserer Stadt zu wohnen, wird ignoriert und ausgeblendet. Wie lange will man so weitermachen?

Das immer wieder gesponnene Märchen von ausreichend bezahlbarem Wohnraum in allen Stadtbezirken bleibt Fantasie – dauerhaftes Wiederholen einer Unwahrheit hilft dieser nicht, wahr zu werden. Die Wobau hat in ihrem Gesamtbestand nach Aussage des Geschäftsführers (Peter Lackner, Juli 2021) nur noch 218 Wohnungen, die als sozialer Wohnungsbau gebunden sind. Der Rest des Bestandes ist dauerhaften Mieterhöhungen ausgesetzt, was alle Menschen dieser Stadt auch spüren. Die Einkommen der Menschen steigen langsamer als die Mieten.

Diese Entwicklung ist fatal für das soziale Gefüge der Landeshauptstadt. Man verrennt sich in Luxus– & Prestigeprojekte, wie der sinnlosen Bebauung des Prämostratenserberges, oder reißt schlichtweg günstigen Wohnraum in Nord ab, um Platz zu machen für teure Wohnungen. „Beifall auf offener Bühne“ für geplante Mietsteigerungen sind wohl sehr unrealistisch und als Schönrederei zu betrachten. Menschen werden damit systematisch und geplant aus ihrem Wohnquartieren gedrängt. Der Abriss günstigen, vermieteten Wohnraums am Breiten Weg und dessen Ersatz durch sehr teuren Wohnraum hatte leider genau dies zum Ziel. Trotz des Widerstandes der dort lebenden Menschen hat man deren Wohnraum abgerissen.

Das kommunale Wohnungsbauunternehmen und die Genossenschaften in der Landeshauptstadt bleiben unsere wichtigsten Partner für Stadtentwicklung und Wohnen. Auch wenn bzw. gerade weil es sich nicht um börsennotierte Investoren handelt, die Renditeerwartungen erfüllen wollen, muss die Sensibilität für die Entwicklung des sozialen Gefüges dort geschärft werden. Beide Unternehmen leisten und machen viel, um z.B. Sport und Kultur zu unterstützen. Das stellt niemand in Frage. Aber aus meiner Sicht ist und bleibt der „vornehmste Geschäftszweck die Sicherung eines sozialverträglichen Wohnungsmarktes“ (Kommentar Katja Tessnow zu „Linke scheitert mit Abriss–Veto in Nord“ vom 21.10.21). Dahingehend hoffe ich inständig auf ein Umdenken und ein Korrigieren des augenblicklichen sozial gefährlichen Kurses der Geschäftsführer.

 

René Hempel
Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr

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